Viele Grüße aus PMI

Poststempel 07.02.1976

Liebe Familie Mayer, Tante Hanna und Frau Eichener, liebe Grüße aus Mallorca, es ist sehr warm hier und sehr gutes Essen, auch ein schönes Zimmer mit Bad. Jede Woche mache ich einen Busausflug, Langeweile gibt es keine, aber auch schöne Sachen gibt es zu kaufen, und das Geld fliegt nur so raus. Hoffentlich ist zu Hause alles in Ordnung? Es grüßt Sie alle recht herzlich Ihre Paula

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Paula zu beschreiben war gar nicht so leicht. Man konnte sie in keine Schublade stecken, sie war einfach Paula. Würde man es mit temperamentvoll versuchen, fielen einem gleich mehrere Situationen ein, in denen sie fast verschüchtert gewirkt hatte. Würde man sie liebenswert nennen, musste man sich eingestehen, dass es auch Erlebnisse gab, in denen sie aus dem nichts heraus garstig wurde und man die Welt nicht mehr verstand. Sie war offen und gleichzeitig seltsam verschlossen. Sie konnte gütig sein, aber auch gehässig. Sie war laut und leise zugleich. Vielleicht beschrieb man Sie am besten als unberechenbar, aber keinesfalls mit einem negativen Unterton. Sie war erfrischend. Sie war lebendig. Sie tat dem kleinen Ort gut, an dem sonst alles so geregelt zuging.
Sie lebte alleine in einem großen Haus und jeder fragte sich, wofür sie den ganzen Platz nutze. Fühlte sie sich nicht einsam auf diesen vielen Quadratmetern? Wie konnte sie sich so ein Haus überhaupt leisten? Hatte sie einen Beruf? Hatte sie früh geerbt? Man wusste nichts über sie. Geschickt wich sie jeglicher Frage aus, die etwas darüber in Erfahren bringen wollte, wobei man noch nicht einmal sagen konnte, ob sie das bewusst machte. Und irgendwann hatte man aufgehört zu fragen, weil es eben so war.
Sie war einfach da, ein fester Bestandteil. Sie wurde zu Geburtstagen und so manchen Kaffeerunden oder Grillabenden eingeladen. Sie durfte nicht fehlen, sie gehörte dazu. Sie selbst hatte schon in den unterschiedlichsten Jahreszeiten zu ihrem Geburtstag geladen, daher wusste keiner, wann er wirklich war. Es waren die besten Partys. Paula übertraf sich mit ihrem Outfit jedes Mal aufs Neue. Die Häppchen waren unfassbar lecker und der Champagner floss in Strömen. Mal gab es ein Jazztrio, das den Abend begleitete, mal einen durchgeknallten Vogel im Pailletten Blazer, der am Synthesizer den Garten in sphärische Klänge hüllte. Mal war es ein Streichquartett und mal eine Soul Sängerin mit ihrer Band. Immer war es spektakulär. Und dann erzählte sie von ihren Reisen; in den Harz, in die Sahara, an den Titisee, auf den Himalaya.
Fast jeden Monat war sie für ein paar Tage weg und dann segelte eine Postkarte zu uns.

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Auf alten Postkarten findet man die schönsten Geschichten. Wie auf dieser hier aus Palma de Mallorca von 1976.

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